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Und dann trifft tatsächlich ein, was von langer
Hand geplant war: wir treffen uns in Stuttgart, besteigen das Flugzeug
und wechseln den Kontinent: Afrika. Oder zumindest dessen Vorposten
Djerba. Schleusen uns vorbei an einschüchternden Zollbeamten
und treffen samt voll geladenen Gepäckwägelchen auf Mohamed,
der es eilig hat, den Flughafen zu verlassen. Definitiv nicht seine
Welt eben. Unter Afrikas heisser Sonne wird das ganze Gepäck
auf drei überraschend luxuriöse Gelände-Rover geladen
und schon geht es zügig Richtung Süden. Da ist sie die
Ferienstimmung: das Gesicht im Fahrtwind, Blick auf Sand, Palmen
und Meer. Eine erste kurze Etappe führt zur Fähre, wo
wir uns in ein anderes, langsameres Zeitgefühl einstimmen können.
Wir warten, schauen dem Treiben der Menschen zu, dem Kommen und
Gehen rund um die Fähren. Auch wir werden eingehend aber nicht
unfreundlich betrachtet. Des weiteren werden die Trinkflaschen verteilt
und wir können erste Übungen im viel Trinken machen. Schliesslich
sind wir für die Fähre an der Reihe und auf dem Festland
angekommen wird die Reise umgehend fortgesetzt. Durch die Fensterscheiben
erhaschen wir die schnell vorbeiziehenden Bilder einer uns doch
fremden Welt. Faszinierend. Durch die Berge von Matmata, vorbei
an deren Sehenswürdigkeiten, erreichen wir im Dunkeln Douz,
wo wir erstmals nach Stunden richtig Halt machen und um einen grossen
Tisch sitzend endlich den so obligat wie süssen Berber-Tee
geniessen dürfen. Dann geht's wieder weiter in die Wüste.
Unsere Fahrer sind im tiefer werdenden Sand gefordert, wenngleich
sie sich nichts anmerken lassen. Schliesslich finden sie in dieser
fast endlosen Weite unser Nachtlager, das unsere Guides errichtet
haben. Ringsum rasten verstreut unsere Kamele. Fast surreal, wie
wir uns nun in einer fast biblischen Szenerie wiederfinden. Wir
sitzen ums Feuer und dürfen eine wärmende Suppe entgegennehmen.
Wir testen unsere ersten erlernten Arabisch-Wörter und sind
erfreut, wie freundlich unser Shukran' aufgenommen wird. Im
spärlichem Schein des Feuers sind es aber vermutlich doch vor
allem die Augen, die sprechen. Wir sind alle sehr müde und
froh, einen Platz für die Nacht zugewiesen zu bekommen. Wider
erwarten ist es nicht kalt, gegen Morgen aber doch eher frisch.
Es schläft sich gar nicht schlecht auf dem Sand.
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Als wir noch im Dunkeln erwachen, sehen
wir unsere Wüstenführer weiss gewandet vor hoch loderndem
Feuer stehen, sich die versteiften Glieder wärmend. Unvergessliche
Bilder. Wie inszeniert. Zum Frühstück gibt's Fladenbrot
mit Feigenmarmelade, Kaffee und Tee. Danach dürfen wir unseren
Chech aussuchen: blau, weiss oder beige. Mohamed setzt jedem von uns
gekonnt unsere zukünftige und bald unerlässliche Kopfbedeckung
auf. Wir fühlen uns wie zu Ritter geschlagen. Anschliessend schauen
wir Mohamed, Achmed, Hammed, Mabrouk, Laid, allesamt Brüder,
Bel Gessim und als Jüngster Nasser zu, wie sie die Kamele mit
unserem doch beträchtlichen Gepäck beladen. Wir möchten
helfen, haben aber vorerst von Tuten und Blasen keine Ahnung. Überhaupt
merken wir deutlich, dass wir in der Wüste vollends auf das Wissen
und die Erfahrung von unsern Führern angewiesen sind. Mit unserm
kleinen Simon (27Mt.) werden wir Achmed und seinen drei Kamelen zugewiesen.
Sind die Kamele einmal bepackt, geht's gleich los. Erst steigt die
Mutter auf, dann erhebt sich das imposante Kamel, klein Simon wird
dann in die Arme der Mutter hochgestemmt. Der Vater entschliesst sich
zu Nimschuh'. Herrlich dieses Laufen im Sahara-Sand, den wir
uns niemals derart fein vorgestellt haben. Der Wind bläst uns
angenehm ins Gesicht und lässt uns tief durchatmen. Nach drei
bis vier Stunden laufen oder reiten kommen wir an unserem zweiten
Lagerort an. |
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Jetzt können wir mit anpacken: die
Kamele werden sofort abgeladen und es wird Holz gesucht und die ersten
bereiten den Mittagssalat zu. Die Beduinen sind etwas enttäuscht,
dass so rechte Schweizer doch eher unscharfe Messer dabei haben. Die
Bäuche vollgeschlagen mit Salat, Brot und Granatäpfeln legen
sich alle in den Schatten eines der Büsche, die wir, wie es uns
die Beduinen vormachen, mit der nächstbesten Decke behängen
und machen nun unseren Mittagsschlaf und erwachen erst wieder als
wir Trommeln und Gesang hören, gewissermassen als Auftakt für
die Abendzeit. Das Lager erwacht bei den sehr angenehmen Temperaturen
wieder zu neuem Leben. Man findet sich zu Plaudereien, spielt mit
Bällen oder schaut bei den Küchenarbeiten zu. Besonders
das Teigmachen und Brotbacken beeindruckt doch sehr. Die Sonne geht
allmählich im Westen unter und erfüllt jedes Wüstenklischee.
Der fast volle Mond steht dem in nichts nach, geht vis à vis
zur Sonne auf und taucht die Wüste in zauberhaftes Licht. Die
Nacht bricht bereits an als wir uns zum Abendessen ans Feuer setzen.
Der Eintopf findet überall dankbar Anklang. Hingegen wird dem
Wein, für die ganze Woche immerhin gute 40 Liter, nach Meinung
von Steffi noch zu wenig zugesprochen. Wie auch immer, die Szenerie
könnte stimmungsvoller nicht sein. Und wie jeden Abend sind Trommeln,
Singen und Tanzen unsere Verdauungshelfer und unser Seelenbalsam.
Orientalische Musik hat dabei eindeutig Vorrang. Nimmt dann nach Stunden
die Müdigkeit überhand weist uns Mohamed den Schlafplatz
zu, der zuvor sorgfältigst nach Skorpionen, Schlangen etc. abgesucht
wird. Dies gibt uns ein Gefühl der Sicherheit und des Beschütztseins
für das wir Mohamed und allen andern sehr dankbar sind. |
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Die Tage verlaufen stets in ähnlichem
Rhythmus. Mitte Woche geht zu unserm Bedauern das mittägliche
Salatgemüse aus und mit ihm auch die herrlichen Oliven, die dann
ab sofort keinen Grund mehr zu hamsterartigem Verhalten liefern. Dafür
wird nun brav und dank Rita's Fürsorge der Wein vermehrt beachtet
und die geteilten Granatäpfel mit Ramazotti angereichert. So
lässt sich's dann wunderbar in den Mittagsschlaf gleiten.
Die Wüstenlandschaft ändert immer wieder ihr Gesicht. Mal
steinig und mit zahlreichen lichten Büschen versehen, dann bauen
sich reine Sanddünen zu eigentlichen Hügellandschaften auf,
mitunter fast ohne schattenspendende Büsche, die wir ansonsten
gerne als Brennmaterial verwenden. Unsere sieben Führer Mohamed,
Hammed, Mabrouk, Achmed, Laid, Nasser und Bel Gessim sehen wir nie
auf einem Kamel sitzen. Stattdessen laufen sie mit unglaublicher Leichtigkeit
und erst wenn man neben ihnen herläuft, merkt man wie hoch das
Tempo ist. Von Zeit zu Zeit legen sie sich ihren Kamelstock über
Nacken und Schultern und lassen beidseits ihre Arme darüber hängen
um so nach langem Gehen das in den Händen gestaute Blut wieder
zurück zirkulieren zu lassen. Kleidung, Gepäck, Nahrung
und Verhalten sind ganz den Bedingungen der Wüste angepasst.
Erst nach und nach können wir deren Sinnhaftigkeit erkennen.
Es fällt uns immer wieder auf, wie aufmerksam die sieben Wüstensöhne
überhaupt sind. Beispielsweise an jenem Abend, ums Lagerfeuer
sitzend und die Sterne betrachtend, als Mohamed unter den Füssen
des Jüngsten eine Akrab-Spur (Skorpion) vermutet, das Kind aufhebt,
und in der Folge tatsächlich so einem gefürchteter Tier
auf die Spur kommt. Da gibt es dann für die giftigen Wesen jeweils
kein Entkommen.
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Überaus beeindruckend erleben wir
unsere Kamele: erheben sich auf ein Schnalzen mit über zweihundert
Kilo schwerem Gepäck als wär's ein Nichts um dann während
Stunden mühelos und majestätisch über den Sand zu trotten,
anspruchslos und gutmütig zugleich. Urzeitliche Meister der Gelassenheit.
Und mit ihren langen Augenwimpern wirken sie fast charmant.
Im Verlaufe der Tage wächst die Gruppe zusehends zusammen, man
setzt sich immer näher zueinander, die Kulturen tauschen sich
aus, man hat Zeit, sich kennenzulernen. Man versucht sich in arabisch,
französisch, deutsch und mit Händen und Füssen zu verständigen,
immer wieder Grund zu Heiterkeit und Gelächter. Die Freude an
Musik ist ein wichtiges Bindeglied. Ach ja, ganz vergessen: Schwäbisch
ist super für die Lachmuskeln! A propos: Steffi erweist sich
als wunderbare Reiseleiterin, nimmt sich allen Sorgen und Sörgelchen
an und sorgt auch immer wieder für die Verständigung und
die Brücken zwischen den Kulturen, übersetzt unentwegt von
Arabisch ins Deutsche und umgekehrt, und auch von Schwäbisch
ins Deutsche. Das Wüstenleben fordert einen zuweilen ziemlich:
Nasen und Augen können triefen, jeder Körperteil kann schmerzen,
die Verdauung kann einen rund um die Uhr beschäftigen, dass einem
jede Lust vergeht (ausser die aufs Singen...), unserer schwäbschen
Powerfrau mit Herz geht die Vollbeschäftigung nicht aus. Unterwegs
lässt sich's prima plaudern, immer wieder auch singen, dann auch
durchhalten bis zur nächsten Rast, wo wir uns im Schatten von
Büschen zu Boden lassen, weil dort am kühlsten und der Sauerstoffgehalt
am höchsten ist.
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Die Wüste enthüllt ganz unerwartet
unglaubliche Schönheiten, wir dürfen uns aufgehoben fühlen
in dieser grandiosen Landschaft. Die Nächte sind überraschend
warm und durch das Licht des Mondes wirkt die Wüste mit ihrer
spärlichen Vegetation, den Kamelen und dem Berberzelt wie verzaubert.
Am fünften Tag wollen wir die Oase Ksar Ghilane, das Ziel unserer
Wüstenwanderung, erreichen. Zuvor geht die Reise am Fort des
alten römischen Limes vorbei. Erste Jeeps kommen uns entgegen
und Ausflügler aus der Oase auf lärmigen Quads als ungebetene
Vorboten der nahenden Zivilisation. Es scheint, dass es vorbei ist
mit der wohltuenden und erholsamen Ruhe der Wüste. Unsere Karawane
erscheint wie aus einer andern Zeit. Am Rande der Oase, die schon
von weitem als grüner Gürtel aus Dattelpalmen erkennbar
ist, schlagen wir unser letztes Lager auf. Gespannt darauf, was uns
erwartet, machen wir uns auf ins Innere der Oase, wo sich eine Quelle
und ein schwefelhaltiger Badeteich befindet. Da hat sie uns wieder,
die Zivilisation mit ihrem lärmigen Treiben. Wehmütige Gedanken
zurück in die Wüste kommen auf. Am andern Morgen spaziert
unsere Gruppe zusammen mit Mohamed durch die Dattelplantagen und wird
unterwegs auf dem Weg zum gegenüberliegenden Rand der Oase, wo
in einer Siedlung Mohamed's Mutter lebt, reichlich mit Granatäpfeln
vom Baum beschenkt. Sie freut sich über unsern Besuch. Bei Tee,
Granatäpfel und Keksen wird erzählt, so gut wie's eben geht.
Wir beschliessen eine Ziege zu kaufen und für das abendliche
Abschiedsmahl schlachten zu lassen. Anschliessend machen wir noch
kurz Halt in einem kleinen Lebensmittelladen am Rande der Siedlung
(für dortige Verhältnisse ein Supermarkt, wie Steffi bemerkt),
decken uns mit Süssigkeiten, Gewürzen, Harissa, Getränken
etc. ein und lassen nebenbei den Umsatz exponential in die Höhe
schnellen. Dann geht's wieder zurück Richtung Lager. Unterwegs
versuchen wir einigen dreckigen Wasserlachen, die sich in den Untiefen
der Sandpiste gebildet haben, auszuweichen, was nicht allen gelingt
und mit lehmverschmierten Beinen honoriert wird. Wotsch es Füechttüechli?'
hört man jemanden hilfsbereit rufen, was Steffi endlos zu belustigen
scheint. Das Bonmot der Gruppe Rookies Oktober 2009 ist geboren.
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Nach nochmaligem Besuch der Souvenirläden
um den Teich finden wir uns wieder im Lager ein. Die kleine Ziege
ist dort auch schon an einem Strick festgebunden, nichts wissend von
ihrem beschlossenen Schicksal. Vor dem Nachtessen werden unsere Mitbringsel
auf sieben stattliche Häufchen aufgeteilt um sie dann unsern
Wüstenführern zu übergeben, nicht ohne zuvor noch ein
altes schweizerdeutsches Lied zum Besten gegeben zu haben. Stimmungsmässig
ist schon der Wehmut des Abschieds spürbar. Der Blick in die
Wüste in der Abenddämmerung in den wärmsten Farbtönen
bleibt uns unvergessen. Stunden später scheinen auch die Milliarden
Sterne ihr letztes für uns zu geben.
Bevor wir uns zum Schlafen legen, mahnt uns Steffi, dass wir uns um
zwei Uhr in der Nacht für die Abreise mit den Taxi's bereitzuhalten
hätten. Wir sollten aber ruhig schlafen, sie würde den Weckdienst
übernehmen. Um Viertel vor zwei treffen dann die Taxis im Lager
ein. Ziemlich alle schlüpfen aus ihren Schlafsäcken, alle
bis auf unseren Weckdienst, der ruhig weiterschläft. Wir packen
also unsere Gepäckstücke zusammen und verabschieden uns
von Hammed, Mabrouk, Achmed, Laid, Nasser und Bel Gessim und versuchen
unsere tiefe Dankbarkeit ihnen gegenüber irgendwie auszudrücken.
Wie schön, dass Herzlichkeit in allen Sprachen verstanden werden
kann. Familie Hegner bleibt auch zurück, da sie noch eine Woche
Strandferien an Tunesiens Küste geplant hat. Begleitet von Mohammed
schaffen wir es tatsächlich, dass wir mit den Taxis um sieben
Minuten nach zwei abfahren können. Eine ganz beachtliche Leistung
fürwahr!
Die rasante Fahrt durch die Nacht zurück zum Flughafen, durch
Wüstenabschnitte, spärlich beleuchtete Dörfer und Städte,
sich verändernden Landschaften, wirkt wie eine Kamerafahrt in
einem Roadmovie. Wir versuchen zu schlafen im Bewusstsein, die letzten
Blicke auf Tunesien erhaschen zu können.
Abschied auch vom Land und von Landschaften. Am meisten wirken unsere
sieben Wüstenführer in uns nach: Achmed, Nasser, Hammed,
Mabrouk, Laid, Bel Gessim und schliesslich Mohamed, der uns vor sieben
Tagen am Flughafen abgeholt hat und uns nun wieder ebendort abgibt.
Und auch von uns bleibt etwas zurück in diesem Land, in dieser
Wüste. Bislämma! Auf Wiedersehen! Inschallah!
Und ganz grossen Dank an Steffi!
Adrian
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