Bericht von November 2009, Irma
 
Asslema,

hier ist es kalt und ich habe den ganzen Tag noch keine Sonne gesehen. Da hilft nur die Erinnerung an die wunderbare Reise, von der ich gerade zurückkomme.

Begonnen hat alles eigentlich schon vor gut einem Monat. Damals hat sich ein Teil unserer Gruppe zum ersten Mal getroffen und wurde von Steffi darüber informiert, was wir alles in unseren Seesack packen sollen, welche arabischen Wörter wir brauchen werden, und dass wir nicht zu einem Urlaub, sondern zu einer Reise aufbrechen werden. Danach konnte ich es kaum noch erwarten, loszuziehen. Das Gepäck wurde zusammengetragen, ein- und wieder umgepackt, bis alles Wichtige verstaut war.

Am Montag früh ging es dann los zum Flughafen in Stuttgart. Nach und nach trafen alle Teilnehmer ein, auch die, die Steffis Puls kurzzeitig auf 200 brachten, indem sie die Nachricht per Handy versandt hatten, sie wären soeben am Flughafen München angekommen. Die Schlange am Schalter war lang und es ging nur langsam vorwärts. Erst kurz bevor unser Flieger abheben sollte, kamen wir überhaupt dran. Während Steffi noch die Flugscheine ausstellen ließ, eilte Simone zum Sperrgutschalter, wo sie unsere größeren Gepäckstücke abgeben sollte, jedoch vom zuständigen Mitarbeiter mit den Worten: "Iran Gepbäckschein bidde" und, nachdem sie diesen nicht hatte, mit einem "Den griagt jeder Passaschier", wieder ausgebremst wurde Auf stresssige Reisende reagierte er mit einem entspannten "mir isch des egal i han in ra halba stund feierabend". Unterdessen eilte ein Teil unsere Gruppe schon zum Flugzeug, wo wir voller Spannung darauf warteten, ob Steffi, unsere Reiseleitung und einzige, die wusste, wie es in Tunesien weitergehen würde, auch noch kommt. Nachdem der Stuart schon zweimal die Passagiere gezählt hatte und die fehlenden Gruppenmitglieder in der Flughafenhalle ausgerufen wurden, hatten es dann doch noch alle rechtzeitig geschafft, die Reise konnte beginnen.

   
     
    In Tunesien wurde unser Gepäck am Flughafen auf zwei Taxis verladen und es ging von Djerba aus Richtung Westen. Während wir auf die Fähre warteten, welche uns zum Festland brachte, verteilte Steffi das Taschengeld. Ein Händler zeigte uns ein Chamäleon, so dass wir schon einmal auf die exotische Fauna in diesem Land eingestimmt wurden. Entlang am Meer, vorbei a Olivenplantagen, durch die Berge bei Matmata, ging es mit einem kurzen Zwischenstop, bei dem uns Tee mit Mandeln gereicht wurde, immer weiter in die Wüste hinein, wo unsere Beduinenführer, Mohamed, Achmed, Naser, Amor und Ahmed, schon auf uns warteten. Unterdessen war der Vollmond leuchtend hell aufgegangen. Das Lager für die Nacht war errichtet, das Abendessen gekocht und die Trommel forderte uns zum ersten Tanz im Sand. Mohamed schenkte jedem von uns einen Chech, ein langes Tuch, in olivgrün, weiß oder blau, welches gegen Sonne, Wind, Sand, Fliegen oder Kälte um den Kopf gewickelt wird, und zeigte uns wie man diesen Turban aufsetzt. Von der langen Reise ermüdet suchte sich dann nach und nach jeder einen Schlafplatz in den Dünen.
     

Am nächsten Morgen weckten uns die leisen Stimmen der Beduinen, die bereits ein Brot in der Glut des Feuers gebacken und Kaffee und Tee gekocht hatten. Dazu gab es Käse und Feigenmarmelade zum Frühstück. Nachdem die Kamele beladen waren und jedem von uns "sein" Tier zugeteilt wurde, wanderten wir los in Richtung einer Wasserstelle, wo die Kamele noch einmal trinken konnten, bevor es immer weiter hinaus in die Wüste ging. Wer wollte, konnte zwischendurch auch auf sein Kamel aufsteigen und reiten. Der wiegende Gang und die Stille der Wüste trug uns fort aus der Zivilisation in eine neue Welt.

Am frühen Nachmittag hatten wir unseren Lagerplatz für die nächste Nacht erreicht. Alle halfen mit die Kamele abzusatteln, Holz zu sammeln und die Zutaten, Zwiebeln, Paprika, Gurken und Kohl, für einen leckeren Salat mit Tunfisch zu schneiden. Nach dem Mittagessen hatte jeder Zeit für sich. Die meisten legten sich in den Schatten und genossen die entspannte Ruhe. Manche wagten sich auch etwas vom Lager weg, wobei man in diesem Gelände mit vielen kleinen Sandhügeln, die mit kleinen Büschen bewachsen waren, schnell die Orientierung verlor und mit Hilfe der Fußspuren zurückfinden musste. Unterdessen durften die Kamele zum Fressen in der Gegend umherziehen. Damit sie sich nicht zu weit vom Lager entfernten, wurden ihnen die vorderen Beine zusammengebunden, was zur Folge hatte, dass sie sich lustig hüpfend vorwärtsbewegten. Die ersten Tiere, die wir im Sand sahen, waren Eidechsen, Schwarzkäfer, Silberameise und eine große Heuschrecke. Bald schon ging der Mond groß und rund wieder auf. Zum Abendessen wurde Kuskus mit Gemüse und Lammfleisch gekocht. Wir setzten uns, angelehnt an die Kamelsättel, rund um das Feuer und genossen die Gastfreundschaft der Beduinen.

   
     

 

 

Steffis Improvisationstalent zeigte sich am nächsten Tag, als sie aus einer kaputten Treckinghose eine Wasserflaschenhalterung bastelte. Doch auch mit allem guten Willen ließen sich Florians Schuhe nicht mehr reparieren, von denen sich die Sohle komplett gelöst hatte.
An diesem Tag zogen wir zum ersten Mal durch reine Sanddünen, auf denen auch kaum mehr Büsche zu finden waren. Wer auf sein Kamel aufgestiegen war, musste Acht geben, dass er bei dem auf- und ab nicht vom Sattel rutschte. Jeden Tag machten wir auf der Hälfte der Strecke eine kleine Pause, bei der wir unsere mitgebrachten Süßigkeiten austeilten. Immer wieder kam etwas leckeres zum Vorschein: Gummibärchen, Kekse, Schokolade, Nüsse...

Mit einem wunderschönen, roten Sonnenuntergang endete der Tag. Da der Mond nun erst etwas später aufging, konnten wir in dieser Nacht die ersten Sternschnuppen sehen. Am Lagerfeuer wurde uns Gemüsesuppe serviert. Wie jeden Abend gab es wieder Tanz zum Trommelmusik und zum Gesang. Die Anmutigen Bewegungen der einheimischen Männer haben uns stets aufs Neue erstaunt.

Unseren ersten Skorpion sahen wir am nächsten Morgen kurz vor der Abreise. Alle sprangen herbei, um das Tier zu sehen.

     
. Der Tag verlief, wie die Tage zuvor, mit der Wanderung zum nächsten Lager, dösen im Schatten, der mit Hilfe von über Büsche gelegte Decken hergestellt wurde, Unterhaltungen mit den Beduinen und Reisegefährten und genießen der Eindrücke, die die Wüste zu bieten hat. Am Abend zeigte uns Mohamed ein Spiel, bei dem man eine Streichholzschachtel mit dem Mund aus dem Sand ziehen sollte. Dies bewog Daniela dazu, ihre "Hui-Hui-Maschine" herauszunehmen, welche sie wie durch Zauberhand zum drehen brachte. Alle durften danach ihr Glück ebenfalls probieren, doch nur wenige konnten es ihr nachmachen. Vor allem Mohamed war kurz davor Steffi die Freundschaft zu kündigen, weil sie nicht verraten wollte, wie man die "Hui-Hui-Maschine" zum Laufen bringen kann.    
     
    Am folgenden Tag blieben wir im Lager, eine gute Gelegenheit einmal richtig auszuschlafen. Irgendwann wollte uns Steffi dann sanft mit Musik wecken. Da sie jedoch dachte, es sei schon später, kam der Weckdienst bereits um sieben Uhr, was uns die Gelegenheit bot, den Tag früh zu nutzen. Wir wanderten in die hohen Sanddünen, lauschten der Stimme des Windes, staunten über die beeindruckende Weite der Sahara und die feinen Muster im Sand. Amor fing für uns einen Sandfisch, der sich brav von uns fotografieren ließ und sich dann wieder im Sand eingrub. Mittlerweile fühlten wir uns in der hügeligen Landschaft auch schon so sicher, dass wir kleine Exkursionen alleine wagten. Am Nachmittag rührte Steffi Henna an, mit der sie uns wunderschöne Muster auf Hände und Füße malte. Ein kräftiger Wind hatte eingesetzt, so dass der feine Sand überall hineingeweht wurde. Die ersten Kameras gaben ihren Geist auf. Bei Einbruch der Nacht scharten wir uns alle wieder um das Feuer. Es gab Nudeln mit Gemüse und Kartoffeln zum Abendessen. Das Geschirr wurde danach an Ort und Stelle mit Sand gereinigt. Für die Mitreisenden, die vom Norden Deutschlands oder von Österreich kamen, gab es die tägliche Lektion in "Schwäbisch-Gschwäzt", Wein wurde ausgeschenkt, Süßigkeiten herumgereicht und Steffi wurde kurzzeitig mit einem Kamelsattel verwechselt. Als bei der gemütlichen Runde der circa fünfte Skorpion dieser Tage auftauchte sprangen nur noch die Beduinen auf, auf die das Spinnentier direkt zueilte. Steffan sprach von einer Spaßbremse, was allgemein auf den Skorpion bezogen wurde, wobei er eigentlich Doro meinte, die vor dem Tier gewarnt hatte.
     

Nach einem wunderschönen Sonnenaufgang ging es durch die Sanddünen und über eine Hochebene am nächsten Tag weiter. Da unser Wasservorrat aufgebraucht war, kam uns Mohameds Bruder mit einem Eselkarren und mehreren Kanistern Wasser entgegen. Das Gelände wurde immer steiniger und nur noch Grasbüschel schienen überleben zu können, so dass wir daran zweifelten, genügend Holz für ein Feuer zusammen zu bekommen. Aber jeder holte einige handvoll dörrer, von der Wüste überrollter Reste der Büsche und so kam doch genug Brennmaterial zusammen. In der Ferne lockte uns eine Erhebung und trotz Mohameds Skepsis wegen dem weiten Weg in der Mittagssonne zogen einige von uns dorthin los. Auf unserer Wanderung fanden wir Feuersteine, Straußeneierschalen und am Fuße des Berges sahen Sven und Steffan sogar einen Wüstenfuchs, der vor ihnen aus dem Busch sprang. Von der Spitze der Erhebung aus hatte man einen wunderschönen Blick auf die weite Landschaft. Über die Kante der Dünen blies der Wind feine Sandschleier.

In dieser Nacht wickelten wir uns fest in unsere Schlafsäcke und legten den Chech über die Nasenspitze, um uns vor der Kälte zu schützten. Bis jetzt hatten wir für November eher warmes Wetter, doch nun spürten wir, wie eisig es auch sein kann.

     
    Der letzte Tag in der Einsamkeit war angebrochen. Noch einmal ging es durch traumhafte Sanddünen, vorbei am Fort, Richtung Oase, die von der Ferne als dunkler Fleck in der Landschaft zu sehen war. Immer näher kamen wir nach Ksar Gilhane, wo Dattelpalmen und vor allem die warme Schwefelquelle auf uns wartete. Dort angekommen zogen wir gleich los in den kleinen Ort, wo uns Mohameds Mutter zu einem Tee erwartete. Im Hof des kleinen Hauses setzten wir uns in den Schatten und wurden mit dem starken Tee der Beduinen bewirtet. Immer wieder kam jemand herein, ein Bruder, eine Schwägerin oder ein Nachbar Mohameds, und begrüßte uns freundlich mit Handschlag und dem üblichen "Schine halek?" - "Wie geht´s" oder mit "Salem". Nach der Teerunde bummelten wir zum kleinen Laden hinüber, in dem es alles für den täglichen Bedarf der Einwohner des Ortes gab. Wir kauften uns zum Andenken Gewürze und Henna oder, als Abwechslung zum vielen Wasser der letzten Tage, Cola. Zurück durch die Dattelplantagen ging es nun zum kleinen See, in dem wir nach einer Woche endlich wieder baden konnten. Wir genossen das herrliche Wasser in vollen Zügen. Sogar den Tee und das Mittagessen bekamen wir auf einem umgedrehten Plastikhocker als schwimmender Tisch beim Baden serviert. Rund um die Quelle gab es ein paar Souvenirläden, wo wir nach traditionellen Kleidern, Kajal, Sandrosen und sonstigen Andenken stöberten. Vor Sonnenuntergang zogen wir wieder zurück zu unserem Lagerplatz am Rande der Oase. Die mitgebrachten Geschenke wurden gerecht aufgeteilt und unser selbstgedichtetes Lied wurde vorgetragen. Noch einmal saßen wir am Feuer zusammen, sangen, tanzten und schauten nach den Sternbildern und Sternschnuppen. Mohamed zeigte uns die Anwendung des Kajals und färbte uns Frauen die Augen schwarz.

 

   

Pünktlich am nächsten Morgen kamen unsere Taxis. Das Gepäck wurde verladen, der letzte Sonnenaufgang fotografiert und dann hieß es Abschied nehmen von unseren Begleitern, Gastgebern und Führern durch die wunderbare Wüste.

Die Welt außerhalb der Ruhe hatte uns wieder, als wir über den Markt in Djerba bummelten, wo noch alle ein Andenken an Tunesien einkaufen konnten.

   
     
   

Im Flugzeug tauschten wir noch einmal die Eindrücke dieser Woche aus, lachten über Zucker mit Haschisch, sprachen über die Wunderkiste von Steffi, aus der täglich neue Überraschungen auftauchten, schwärmten von den Datteln und Granatäpfeln, die es immer zum Nachtisch gab und erschraken bei der Landung in Stuttgart, als uns der Pilot die Ortstemperatur mit 2°C angab. Dann hieß es, auch von den Mitreisenden Abschied zu nehmen. Wir waren eine tolle Gruppe und jeder freut sich schon jetzt auf das Nachtreffen, das es geben wird.

Bislämma

Irma

 

Hier noch unser Abschiedslied (Melodie der Vogelhochzeit):

Wir kamen in die Sahara
und blieben sieben Tage da. Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalala.

Die Wüste, die war heiß und kalt,
vor lauter Sand sah´n wir kein Wald...

Damit der Start gut klappen kann
holt Achmet die Kamele ran...

Mohamed der Tourenguede
macht Witze, dass es jeden freut...

Steffi packt die Kiste aus,
da kam der Ramazotti raus...

Der Amor unser Essen kocht,
wir alle haben´s sehr gemocht...

Ahmed uns in die Dünen führt,
der Ausblick hat uns sehr berührt...

Der Nasser, der hilft in der Not
und macht das ganze Viechzeug tot...

Wir danken, es war wunderbar,
und kommen wieder, Inshallah!...