Auch in Zafraane bei Mohammed zuhause angekommen,
dürfen wir uns nicht ausruhen. Wir scheinen in einem Bootcamp
zu sein. Mit Schlafverbot. Aus der Ecke schnarcht es. Die ganze
Nacht. Ohne Pause. Zum Glück sind wir ab morgen in der Wüste
- und die ist groß... Doch nun scheinen wir würdige Beduinenanwärter
zu sein - es geht los! Nach einem leckeren Frühstück mit
Mohammeds Familie und einem kurzen Besuch auf dem Markt von Douz
geht es in die Wüste. Eine halbe Tagesreise vor dem Jebel Tembain
lagern schon einige Beduinen mit den Kamelen. Nach dem Mittagessen
bekommen wir von Mohammed unsere Chechs gebunden. Diese sind auf
der Reise auch bitter nötig, nicht nur wegen der Sonne und
des Windes, der uns ständig Sand ins Gesicht weht. Nein, Oktober
ist auch Fliegenmonat (was uns vorsichtshalber verschwiegen wurde
).
Wie viele von den Viechern wir versehentlich gegessen haben, ist
nicht belegt.
Dann geht es endlich los. Mohammed, Ahmed und Mabruk
begleiten uns, dazu neun Kamele. Es ist heiß, wir sind müde
und der Sand fühlt sich an wie Schlick. Den Tembain erreichen
wir heute nicht mehr. Nach dem Absatteln der Kamele geht es ans
Holzsammeln, danach stoßen wir mit dem ersten Becher Rotwein
auf unseren Wüstentrip an - und kurz nach dem Abendessen fallen
wir ins Bett.
Die nächsten Tage laufen wir. Schnell. Im Beduinentempo.
Vorbei am Tembain, vorbei am Wüstencamp "Camp Mars",
durch immer höher werdende Dünen. In den Pausen verteilt
Mohammed schokoladengefüllte Kekse, als wären es Energieriegel.
Wir sehen Felder mit großen glatten Steinen, die glänzen
als wären sie aus Metall. Oder Wasserpfützen. Eine Fata
Morgana? Wir steigen auf den nächsten Dünenkamm - und
plötzlich sehen wir wirklich Wasser! Nach zweieinhalb Tagen
haben wir den See erreicht! Im Wasser unterhalten wir uns mit einem
Deutschen aus einer anderen Reisegruppe, die für die Strecke
5 Tage gebraucht hat. Der Obersandfisch hat das dringende Bedürfnis
zu gehen, als wir ungläubig gefragt werden, wer denn unser
Reiseleiter sei
Aber auch wenn wir den See erreicht haben, die Expedition
ist nicht zu Ende. Schließlich wollen wir ja noch nach Ksar
Ghilane laufen. Nach einer kleinen Meuterei am Abend bezüglich
der Geschwindigkeit (wenn es so weitergeht, sind wir am Freitag
in der Oase - und unser Flug geht Montagabend) zaubert Steffi am
nächsten Morgen ein Glas Motivations-Nutella aus ihrer Tourbox.
Schon geht es uns besser. Entspannt packen wir unsere Sachen, bekommen
noch einmal Besuch von dem algerischen Kamelhändler, der am
Vorabend schon mit am Feuer saß und beobachten den Aufbruch
der deutschen Touristengruppe samt Flügelkamel mit Matratzen,
Zelten, zugelaufenem Hund (an der Leine!!!) und ohne Chech. Was
sind wir froh, mit verrückten Sandfischen unterwegs zu sein.
Nach einem entspannten Lauftag im Touristentempo veranstalten
wir einen italienischen Abend. Mit Rotwein und Calzone - gefüllt
mit Tomatenmark, Thunfisch, Salami und Käse - die Mabruk fast
ins Feuer wirft, weil er findet, so etwas kann man nicht essen.
In der Wüste lernt man, das positive aus allem
zu ziehen. Nachts hat es ein wenig geregnet, der Himmel ist bleiern,
wir haben leichten Sandsturm - und deshalb weniger Fliegen, juhu!
Dafür sehen wir am Abend unseren dritten Skorpion. Wir haben
uns eingelaufen, sind nicht mehr so fertig und haben abends endlich
Lust zu singen und zu tanzen. Sogar mehrsprachig - Murat und Radieschen
auf Englisch, Khalife auf Französisch, Steffi, Matuk und Aisha
auf Schwäballgäufränkisch und alle zusammen mit den
Beduinen auf Arabisch.
Nach einer unruhigen Nacht, während der uns mehrere
Jeeps fast überfahren hätten (wahrscheinlich wollten die
mal gucken, ob da wirklich so verrückte Deutsche durch die
Wüste laufen), geht es weiter zum nächsten Punkt: dem
Brunnen Bir el Mida. Wir kommen schon gegen Mittag an und schlappen
nach dem Essen wie Campingurlauber auf dem Weg zu den Waschräumen
mit Handtüchern, Duschgel und Bürste bewaffnet zur "Dusche".
Und dort, mitten im nichts, neben dem Brunnen, steht ein Café.
Mit Cola in Flaschen, Cola in Dosen und Fanta. Für 5 Dinar.
Aber das haben wir uns verdient! Genauso wie die Dusche - bzw. die
Haarwäsche von uns Mädels. O-Ton Steffi "Wenn ihr
euch da im Bikini hinstellt und duscht, ploppen aus den ganzen Dünen
die Beduinen raus."
Auch an den nächsten Tagen laufen wir nur vormittags.
Die Nachmittage sind gefüllt mit Henna-Malereien, Cappuccino-Trinken,
Ratschen und Singen (You are so beautyful to meeeeeee). An den Abenden
gibt es unter einem grandiosen Sternenhimmel Rotwein mit Bergkäse,
Datteln, Ramazotti aus selbst gebastelten Zitronen-Hälften-Schnapsgläsern
und Shisha. Langsam werden wir zu echten Nomaden. Der Tabak ist
verschwunden, also mischen wir uns selbst einen aus zerkrümelten
Marlboro, zwei Päcken Heiße-Liebe-Tee und Honig. Riechen
tut er zumindest gut
Sogar unseren "Buben" merkt man an, dass
sie uns nicht mehr für Touristen halten: an einem Vormittag
treffen wir die deutsche Reisegruppe wieder - und alle drei Beduinen
drücken die Führstricke ihrer Kamele einer von uns Mädels
in die Hand und veranstalten mit Murat, Khalife und Matuk ein Wettrennen
die Dünen hinauf. Mohammed erzählt uns, dass die Damen
aus der anderen Gruppe fast alle wundgeritten sind und keine Lust
mehr haben. Hoffentlich konnten sie trotzdem wie wir die Faszination
der Wüste erleben.
Kekspause, Sonntag vormittag: geschafft! Wir können
Ksar Ghilane sehen! Doch scheinbar hat niemand das Bedürfnis,
schnell anzukommen. Wir trödeln herum, keiner will die Sahara
verlassen. Wir überlegen, einfach den gleichen Weg nochmal
zurück zu laufen
Aber dann sind wir doch froh, am Ziel
zu sein. Komplett mit Klamotten und Chech springen wir ins warme
Wasser. Unsere Expedition ist geglückt! Wir sind stolz auf
uns - und belächeln müde die seltsamen Kommentare von
den Touristen in der Oase.
Am Abend spürt man den Abschiedsschmerz. Aber
vielleicht liegt die gedrückte Stimmung auch daran, dass kein
Rotwein mehr da ist. Schließlich haben wir schon am Vortag
den letzten Rest der mitgebrachten 40 Liter getrunken - oder wie
viel sind nochmal 4 Kanister á 5 Liter?
Dann das letzte Frühstück in der Wüste,
mit der lustigen zähflüssigen Büchsenmilch, dem leckeren
scharfen Senf, den letzten nervigen Fliegen - I believe I'm a fly
Wir singen zum Abschied unsere Version des Beduinenliedes "Allah
allah, ya baba" und überreichen die Geschenke. Mabruk
und Ahmed satteln die Kamele, sie ziehen zu Fuss zurück nach
Zafraane, Mohammed wird mit dem Auto abgeholt. Dann kommt unser
Taxi und bringt uns zurück in die Zivilisation. Eine ganz besondere
Reise ist zu Ende. Wir durften die Wüste auf eine Art erleben
wie nur ganz wenig andere Menschen, zusammen mit den besten Beduinen
der Welt. Und wir sind uns sicher: es wird ein nächstes Mal
geben!
Bei Nieselregen kommen wir morgens um 3 Uhr
in Heidenheim an - und Ralph verschluckt eine Fliege
|